Sozialexperiment

Das Leben hier Remote, ab vom Schuss, gleicht manchmal einem Sozialexperiment. Wir hatten in dem Monat in dem wir hier Leben schon oft Momente in denen wir uns fragten wo die versteckte Kamera ist. Natürlich hatten wir vorher keinen Schimmer davon, wie es ist so Abseits mit circa 150 anderen Mitarbeitern zu arbeiten und zu wohnen. Schon jetzt können wir sagen: Es ist definitiv eine Erfahrung für unser Leben. 

Die ersten Wochen waren wir sehr damit beschäftigt richtig in die englische Sprache zu finden und ich würde sagen Geduld zahlt sich aus. Teilweise kam ich frustriert von der Arbeit, weil mir das Englisch noch so Probleme bereitete und hier Menschen mit vielen verschiedenen Akzenten arbeiten (hauptsächlich Australier, Deutsche, Britten, Inder, Kanadier). Ich habe gemerkt, dass der Druck den ich mir aufbaute das größte Problem war. Ich werde nie perfekt Englisch sprechen und das ist auch okay. Jetzt sage ich fast alles wie es mir in den Kopf kommt und die Leute kapieren immer was ich will und darum geht es ja. Das Zusammenleben mit den anderen ist eine große Hilfe diesbezüglich, da wir hier über alles Mögliche quatschen und auch die ein oder andere philosophische Frage geklärt wird, sind unsere Mitbewohner die besten Lehrer. 

Die ersten Wochen im Housekeeping waren körperlich und vor allem mental sehr anstrengend. Es ging darum, Zimmer in einem bestimmten Zeitrahmen fertig zu bekommen und das stand an erster Stelle (natürlich ohne Grund, weil hier noch nichts los ist). Dazu kam, dass im Schnitt eine Person pro Woche gekündigt wurde, weil diese zu langsam gearbeitet hätte. Da ich wusste wie gut und schnell diese Leute teilweise arbeiteten, wusste ich dass das nur eine offizielle Begründung sein kann. Naja, "offiziell" gibt es eigentlich auch nicht, weil halt auch einfach nicht mehr darüber gesprochen wird, sobald eine höhere Ebene anwesend ist. Uns wurde täglich gesagt wie hervorragend wir arbeiten, aber kann man diese Worte noch für bare Münze nehmen? I don´t know. Drama und Gerüchte sind hier an der Tagesordnung, soviel ist Fakt. Man muss lernen sich davon abzugrenzen, nur so kann man hier gewinnen. Natürlich ist es spannend und witzig die neusten News, den neusten Gossip zu hören, aber persönlich hält man sich lieber fern davon. Durch das ganze Drama in meiner Abteilung sind ich und vier andere Kollegen, aber ein richtig gutes Team geworden. Wir sind eingespielt, schnell, und die Qualität unserer Arbeit ist super. Deutsche sind hier generell beliebt. Wir sind pünktlich, arbeiten effizient, machen gern auch mal mehr. Von außen betrachtet finde ich es aber etwas gruselig wie wir Deutschen geprägt sind und welchen Stellenwert gute Arbeit bei uns einnimmt. Man kann sagen, dass eine Firma so wie sie hier existiert, niemals in Deutschland überleben würde. Auf jeden Fall hat sich in unserer Abteilung das Drama wieder beruhigt (mit der Kündigung einer Schlüsselperson), jedoch haben wir jetzt eine Menge neuer Leute im Team und die müssen erst einmal eingearbeitet werden und dann schauen wir mal wie der Winter wird. 
Funny Story aus meinem Housekeeping Leben: Häufig findet man Sachen in den Zimmern die Gäste zurücklassen. Wir freuen uns meistens wenn wir Bier finden, oder andere noch brauchbare Lebensmittel. Dinge mit Wert müssen wir natürlich abgeben. Am häufigsten werden vergessen Airpods und Vapes (eine Art E-Zigarette). Ich war am Betten machen und sehe dass unter dem Bett etwas liegt und war mir fast sicher dass es ein Vape ist. Beherzt habe ich zugegriffen und sah einen on/off Button. In dem Moment als ich ihn drückte, wurde mir bewusst was ich da in den Händen halte, einen Minivibrator. Unsere Mitbewohnerin meinte nur, dass es jetzt besser wäre mir die Hand abzuhacken. 

Richard hat diese Woche sein Training am Lift, jedoch ist das Wetter noch nicht vielversprechend. Alle warten auf guten Schnee, aber im Moment taut es und regnet es eher. Das heißt, das er im Moment noch sein ruhiges Leben genießen kann, bis es dann richtig mit Arbeiten losgehen kann.

In unserer freien Zeit kann man momentan gar nicht viel machen und das ist aber auch mal gut so für den Kopf. Das meiste spielt sich zuhause ab: quatschen, Filme schauen, puzzeln, oder im Gemeinschaftsraum Billiard spielen. Ich dachte immer, dass ich der Mensch bin der schlecht mit anderen zusammenleben kann und ich lieber allein bin. Nun muss ich feststellen, dass es so toll ist wenn man von der Arbeit kommt und viele Leute am Tisch sitzen. Wir haben wahnsinniges Glück mit den Leuten in unserem Haus, Alle haben eine gute Seele, sind unkompliziert, ordentlich und vor Allem witzig. Die ein oder andere Party fand in den Nachbarhäusern auch schon statt, also langweilig wird es hier nicht.

Anderes Thema (muss aber definitiv für unser Tagebuch festgehalten werden):  Drogen!
Drogen sind in Kanada sehr beliebt. Dabei spreche ich nicht von Alkohol oder Zigaretten. Da hier Drogen entkriminalisiert sind (in jeder Provinz gibt es andere Regeln), ist der Umgang mit Drogen ein ganz anderer als wir ihn kennen. Von den Menschen ohne Obdach haben wir ja schon erzählt. Gründe sind unter anderem erhöhte Mieten und Drogen. Gefährlich wird es in den Städten, da viel mit Fentanyl gestreckt wird und es falsch dosiert häufig zum Tod führen kann. Nach ein paar Dokus bin ich echt geschockt, was auf den Straßen Vancouvers wirklich los ist. Auch hier wo wir leben sind Drogen ein großes Thema und ich würde schätzen dass die Mehrheit der Menschen die hier lebt regelmäßig Drogen konsumieren (ausgenommen Alk/Nikotin). Woher ich das weiß? Es wird ganz normal darüber kommuniziert, wie über das Wetter. Wenn man möchte kann man hier superleicht Alles bekommen was man sich nur so vorstellt. Was ich noch wichtig finde zu erwähnen: Die Leute sind wie du und ich und es gibt auch keinen den man in eine Schublade schieben sollte/könnte. Ich wollte es nur für uns hier festhalten und mag auch gar keine Meinung dazu äußern, da jeder sein Leben lebt wie er/sie es möchte. Es ging mir hierbei nur im die Faszination über ein heikles Thema, womit ich vorher kaum Berührungspunkte hatte.

Wir wünschen Euch allen eine besinnliche Weihnachtszeit! Trinkt einen Glühwein für uns mit!

Richard und Lisa (Verfasst von Lisa)



she works hard for her money


unser gemütliches Wohnzimmer



Essentielle "Lebensmittel" im mittleren Regal


Blick aus dem Fenster

sein neues aufregendes Hobby

Glumanda ist immer am Start

unsere Spirit-Animals aus Ü-Eiern 
(kleine Nikolausüberraschung unsererseits)

mit den Jungs die neue Winterkarte des Restaurants auschecken


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